STADTMUSEUM AICHACH

Kaiser Ludwig der Bayer in Oberwittelsbach - Konrad Huber

Gottfried Hecht


Der Genius Bayerns ehrt vor dem Hügel der ehemaligen Wittelsbacher Stammburg Kaiser Ludwig den Bayern.
Konrad Huber, um 1827/30, Öl auf Leinwand, 72 x 95 (Foto: Philipp Rein)

Wie der Kaiser nach Oberwittelsbach kam...
Wie bei einer Theateraufführung tritt Kaiser Ludwig der Bayer vor dem geheimnisvollen Hügel der ehemaligen Burganlage auf. An der Spitze eines kleinen Gefolges verharrt der Kaiser, erkennbar an Krone, Szepter und hermelinbesetzter Schaube. Die linke Hand hat er zum Gruß erhoben und weist seine Begleiter, die erstaunt und ratlos verharren, auf eine wundersame Erscheinung hin. Vor ihnen steht der Genius Bayerns in Gestalt einer jungen, barfüßigen Frau. Triumphierend streckt sie dem Kaiser einen Lorbeerkranz entgegen. Der Schwung der Gewandfalten ihres antikisierenden Kleides setzt sich in einer flatternden Fahne fort. Darauf ist das bayerische Königswappen und der Wahlspruch „Gerecht und Beharrlich“, des seit 1825 regierenden Königs Ludwig I. abgebildet.
Hintergrund dieser fiktiven Begegnung ist der geschichtsträchtige Ort, nach dem sich seit 1115 die Wittelsbacher, eines der ältesten deutschen Hochadelsgeschlechter bezeichnen. Die Verleihung der bayerischen Herzogswürde an Pfalzgraf Otto von Wittelsbach 1180 war die Voraussetzung für den Aufstieg der Dynastie. Die Verherrlichung des historischen Ortes wird mit einem vergoldeten Hintergrund symbolisiert. Dieser sakralen Überhöhung steht auf der rechten Seite eine verdunkelte Wolkenwand hinter einem düsteren Eichenwald bedrohlich gegenüber. Dies ist wohl der verschlüsselte Hinweis auf die frevelhafte Tat des Pfalzgrafen Otto VIII., der 1208 den deutschen König Philipp von Schwaben ermordet hatte. Der Übertäter fiel daraufhin in Acht und Bann und wurde 1209 bei Oberndorf an der Donau gefasst und getötet. Sein Vetter der bayerische Herzog Ludwig I. ließ daraufhin die Burg schleifen und nahm die pfalzgräflichen Güter und Lehen in seinen Besitz auf.

Der geschichtsträchtige Burghügel
Der Trümmerhaufen in der Bildmitte erinnert an das unselige Ende der Wittelsbachischen Stammburg.

Der Gründungsmythos von Aichach und die Steine der zerstörten Pfalzgrafenburg
Nach jahrhundertealter Aichacher Lokaltradition soll mit den Steinen der Burg die Stadtbefestigung entstanden sein. Erhalten ist das Zitat des bayerischen Geschichtsschreibers Aventin um 1520, der die Nachricht des Aichacher Studenten Joannes Haelius wiedergibt:

Ludovicus dux Boiorum Wittelsbach … diruit, solo aequat, templum ibi Deiparare Virgini condit, sacratis Teutonuim equitibus tradit, lapides haud procul inde Aicham dehevit, in ripa Barii amnis novam coloniam deducit.

Aventin Ann. Boi. P. 629.

Ludwig Bayerischer Herzog … hat Wittelsbach geschleift, zum Ausgleich erbaut er der Gottgleichen Jungfrau eine Kirche, die er dem Deutschen Ritterorden übergibt, die Steine befördert er in das nahe Aichach, am Fluss des Paarstromes gründet er eine neue Siedlung.

Kleinere behauene Steinblöcke finden sich auch im Fundament des Turmes der markanten spätgotischen Backsteinkirche, die im 19. Jahrhundert noch völlig frei auf dem Burghügel stand. Die alte Sühnekirche wurde 1418 und 1509 durch die Deutschordenskomture von Blumenthal vergrößert und diente lange Zeit als Wallfahrtskirche.

Links: Der mehrfach erneuerte hölzerne Obelisk von Gerhauser.
Rechts: Ausschnitt aus einer Lithographie von 1812 mit dem Titel: „Freischießen auf Wittelsbach“. Auf der Vorderseite ist der Genius von Wittelsbach schemenhaft zu erahnen.

Der Obelisk von 1812
Gegen Ende des 18. Jahrunderts begannen einige Aichacher Bürger sich der Verbindung des wittelsbachischen Herrscherhauses zu Oberwittelsbach bewusst zu werden. Einer der ersten Schritte war 1786, als der Aichacher Stadtpfarrer Georg Gottfried Higler und der Lehrer Johann Ulrich Reiser mit der Aichacher Schuljugend den Platz der ehemaligen Stammburg der Wittelsbacher besuchte. Anlass dieser Freundenfeier waren die Geburten der wittelsbachischen Prinzen Ludwig, dem Sohn des Kurfürsten Maximilian IV. und dem späteren König Ludwig I., sowie des Sohnes Herzogs Wilhelm von Birkenfeld. Hier verteilten die Kinder Bildchen mit einem Denkspruch, der sie an das Ereignis auf dem Burgplatz erinnern sollte. Beteiligt war auch der spätere Bürgermeister und Bierbrauer Lorenz Alois Gerhauser, der Volksfeste und Festschießen veranstaltete und mehrere hölzerne Pyramiden dort errichtete. Darauf soll der Genius von Bayern abgebildet gewesen sein. In einer Hand soll er eine Karte mit allen bedeutenden wittelsbachischen Ortschaften von Scheyern bis Andechs gehalten haben und mit der anderen Hand soll er auf die Aufschrift Hier ist der Stammplatz unserer Regenten gezeigt haben. Überliefert sind auch die patriotischen Apelle und Gedenkinschriften.

Links: Filialkirche Beatae Mariae Virginis, hinter dem Chor ist das Schloss Unterwittelsbach sichtbar.
Rechts: Fragment eines gotischen Maßwerkfensters aus Oberwittelsbach im Stadtmuseum. (Foto: Justina Bayer)

Die Kirche auf dem Burgplatz
Der Platz, auf dem von 1119 bis 1208 die wittelsbacher Pfalzgrafen ihre Stammburg hatten, wird heute von einem spätgotischen Backsteinbau mit einem steil aufragenden Satteldachturm beherrscht. Im Kern des Kirchengebäudes stecken wohl noch die Fundamente der abgegangenen „Sühnekirche“, die Herzog Ludwig, zur Wiedergutmachung des Bamberger Königsmordes von 1208 durch Pfalzgraf Otto VIII. von Wittelsbach, hat erbauen lassen. Die behauenen Steine am Fundament des Turms, die von außen noch sichtbar sind, werden als die Reste des Bergfriedes gedeutet. Nach einem Brand 1509 wurde das Langhaus um zwei Joche erweitert und der gesamte Bau deutlich erhöht. Im 19. Jahrhundert hat man die Außenfassaden und die Spitzbogenfenster ausgebessert. Eine bedeutende Marienwallfahrt, betreut von Deutschordenspriestern, lässt sich seit 1418 nachweisen.
Hinter dem Chor der Kirche ist auf unserem Bild schemenhaft ein entferntes Gebäude angedeutet. Hier ist wohl das etwa 3 Kilometer entfernte Unterwittelsbacher Schloss gemeint, das ab 1811 im Besitz des Ritters Arnold von Link war, des königlichen Generalkommissärs und späteren Präsidenten der Regierung des Oberdonaukreises, zu dem Aichach von 1817-1837 gehörte.

Der Künstler Konrad Huber aus Weißenhorn
Konrad Huber (1752-1830) war ein in Weißenhorn ansässiger Maler, der überwiegend in Schwaben tätig war. Bekannt sind hauptsächlich die Fresken in kirchlichen und öffentlichen Gebäuden im Raum Schwaben. Er war der Nachfolger Franz Martin Kuens in Weißenhorn und benutzte die Formensprache, die typisch für den Übergang von der Barockmalerei zum Klassizismus war. Von der Trauerrede am Grab von Konrad Huber sind folgende Worte überliefert: „Er drückte seine Vaterlandsliebe und seine Anhänglichkeit an die Regentenfamilie durch ein herrliches Gemälde aus, welches er als ein Geschenk für die Kirche des alten Stammhauses Wittelsbach verfertigte.“ Dieses Bild hing vermutlich einstmals im Eingangsbereich der Kirche. Huber hat die Gestaltungsidee seines Huldigungsbildes an Wittelsbach aus mehreren Vorbildern zusammengesetzt.

Stich F. Ebner um 1820. (Foto: Justina Bayer)

Aus einem 13 x 8,5 cm großen Stich aus der Zeit um 1820, der in Augsburg bei F. Ebner herausgegeben wurde, hat Huber die Gesamtkomposition, den Bildaufbau mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund übernommen. Der Ziegenhirte und das bäuerliche Paar sind jedoch durch die kaiserliche Gruppe und den Genius ersetzt worden.
Das Motiv vom Einzug Kaiser Ludwigs des Bayern in Rom auf einem Kupferstich von C.G. Amling nach einer Federzeichnung von P. Candid von 1696, diente als Vorlage für die Gruppe des Kaisers mit seinem Gefolge. Dargestellt ist der Einzug zur Kaiserkrönung in Rom im Jahr 1327. Folglich könnte das Bild als 500-jährige Erinnerung an den berühmtesten und umstrittensten Wittelsbacher Kaiser gedacht gewesen sein und auf eine Entstehungszeit um 1827 deuten.