STADTMUSEUM AICHACH

Radfahrerverein

Justina Bayer


Im Stadtmuseum Aichach ist unter anderem die Standarte des Radfahrervereins von 1895 zu finden. Die Losung „All heil!“ wurde dabei in farbigen Lettern auf die Fahne gestickt. Die Ortsverbundenheit zeigt sich in der Vielzahl der Eichenblätter, die das Fahrrad umranken. Die Stange wurde mit weiteren Fahnenbändern geschmückt. (Foto: Justina Bayer)

Bei schönen Wetter ist es oft schwer zuhause zu bleiben. Oft geht dabei der Griff auch zum eigenen Fahrrad, sei es ein E-Bike oder ein einfaches Stadtrad. Die Anfänge des Fahrrades sind dabei genauso vielfältig, wie die Auswahl heutzutage.
Über Jahrhunderte waren die gängigen Fortbewegungsmittel zumeist das Ross oder der Ochse, der Kahn oder das Floß. Bis ins Zeitalter der Industrialisierung im 19. Jahrhundert fehlten schnellere und vor allem für jeden erschwingliche Mobile. Karl Drais erfand aus der Not heraus eine hölzerne Laufmaschine, die er selbst „velociped“ nannte, und mit der er 1817 auf Jungfernfahrt von Mannheim Richtung Schwetzingen ging. Sein Zweirad geriet jedoch zunächst in Vergessenheit, hatten doch nur der Adel oder das reiche Bürgertum die Mittel, sich ein solches "Spielzeug" zu kaufen. Dies sollte sich erst in den 1860er Jahren ändern, als der französische Wagenbauer Pierre Michaux das Vorderrad mit einer Tretkurbel ausstattete und somit einige Jahre später den Weg zum bekannten Hochrad ebnete.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich das Radfahren zu einer Art Massensportart entwickelt. Auch zu dieser Zeit klapperten schon die ersten Aichacher mit einem Veloziped über das Kopfsteinpflaster auf dem Stadtplatz oder fuhren im Slalom durch die Schlaglöcher der Landstraßen in der Umgebung. Es waren dennoch nicht die Ärmeren, die sich dieser neuerlichen Fortbewegungsmethode bedienten, sondern eher die betuchteren Bevölkerungsschichten, die sich der Modeströmung ihrer Umwelt angeschlossen hatten. Besonders mit dem heute exotisch anmutenden Hochrad, bei dem das Vorderrad überdimensioniert war, wurden weltweit Langstreckentouren und Rennen ausgetragen. Auch im Aichacher Raum wurden solch ähnliche, durchaus auch halsbrecherische Aktionen, wenn auch im kleineren Rahmen, absolviert.
Der Durchbruch für das Fahrrad zum individuellen Massenverkehrsmittel kam mit der Erfindung des Nieder- bzw. Sicherheitsfahrrades ab 1884. Dieses in Coventry von John Kemp Starley entworfene Rad entspricht in der Form bereits unseren heutigen Rädern. Er verlagerte den Schwerpunkt des Radlers wieder zurück in Richtung Erde und ließ mittels einer Pedalkette das Hinterrad antreiben. Außerdem steuerte John Boyd Dunlop mit Luft gefüllte Reifen aus Kautschuk bei, wodurch die Erschütterungen des Fahrers deutlich reduziert wurden. Ab 1898 gab es Naben mit Freilauf und 1903 entwickelte Hans Sachs die Rücktrittsbremse. Zu diesem Zeitpunkt war das Fahrrad ausgereift und konnte in Massenproduktion gehen.
Auch im Aichacher Raum stieg die Nachfrage an Fahrrädern, weshalb der Uhrmacher Franz Braig ab 1893 Adler-Fahrräder verkaufte. Der Besitzer eines Fahrrades musste dieses allerdings bei der Polizei anmelden und dort auch sein praktisches Können unter Beweis stellen, erst dann bekam derjenige eine Lizenz in Form einer „Fahrkarte“ samt Nummernschild. Nach der Erfindung des Freilaufs fanden sich die Fahrradpioniere des Paartals zusammen und gründeten 1895 den Radfahrerverein Aichach. Offiziell angemeldet wurde der Verein unter dem Vorstand Xaver Weishaupt, das Vereinslokal war beim Wimmer, im ehemaligen Froschermair, beheimatet. 1898 führte der Verein erstmals in Aichach auch ein Straßenrennen für Herren und Damen durch, bei dem auch Fahrer aus Augsburg und München an den Start gingen.
1907 wurde mit „Frischauf“ ein weiterer Radfahrerverein, der sozialdemokratisch ausgerichtet war, gegründet, aber nur drei Monate Bestand hatte und dann im Verein „Flottweg“ aufging. 1910 folgte ein weiterer Verein, die „Paartaler“. Vermutlich überstanden diese Vereine den Ersten Weltkrieg, dennoch gingen sie im 1926 gegründeten Verein „Concordia Aichach“ auf. Concordia (dt. Eintracht) war eine Sammelbewegung für Vereine eher konservativer politischer Gesinnung, die es landauf und landab in Städten und Dörfern gab, z. B. in Friedberg, Ecknach, Aindling, Griesbeckerzell oder Inchenhofen. Gleichzeitig gab es unter dem Namen „Solidarität“ eine konkurrierende Bewegung, deren Mitglieder, wie schon angesprochen, dem sozialdemokratischen Lager angehörten.
Neben rein sportlichen Aktivitäten spielte in den Vereinen die Geselligkeit von Anfang an eine wichtige Rolle: Radsportveranstaltungen mit unterhaltsamem Begleitprogramm wechselten mit Faschingsbällen, Sommerfesten und Fuchsjagden ab. An Sonntagen gab es gemeinsame Ausflugsfahrten zu befreundeten Vereinen in Entfernungen von bis zu über 50 Kilometer.
Der Sport förderte das Wir-Gefühl und erschuf Gruppensolidarität.